Musivische Texte – Splitter #8

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Vergebliche Negation I – Wenn ich nicht nicht reden und auch nicht nicht wissen kann, dann be­deu­tet Laotses implizite Forderung „Der Wissende redet nicht, der Redende weiß nicht“, dass das Schweigen des Wissenden nur eine Form des Redens und die Ignoranz des Redenden nur eine Form des Wissens ist. Dialektik, als eine Dialektik der Form, hat hier ihren Ursprung.

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Grund, Idee – Unter dem Begriff der Idee fassen wir alles, was wir nicht nicht tun können. Damit ist die erste Idee, die Grund-Idee schon gesetzt: Wir können nicht nicht handeln.

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Nicht nicht handeln, aber schweigen – Formuliere ich eine Handlung, verbinde sie mit ei­nem Zweck und führe sie aus, bleibt die Handlung, als ein Vergangenes, im Gedächtnis. Der Zweck, als ein dem Ge­dächtnis Frem­des, Zukünftiges, bleibt vergessen. Unsere Ver­gan­gen­heit ist stets eine Vergangen­heit der Taten, nicht der Wor­te.

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Unmöglich, nicht frei zu sein – Wir können uns unser Leben nicht aussuchen, aber eben da­rin auch nicht nicht frei sein. Das ist die Idee. Aber wir können unsere Freiheit ver­voll­komm­nen. Das ist das Ideal. Vollkom­mene Frei­heit ist diejenige, deren Leben gelingt.

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Sein ist Zeit – Der Subjektivismus der Moderne gibt sich gerne tautologisch, das heißt du­a­li­­stisch: Was denkt, kann, solange es denkt, nicht nicht existieren. Aber die Tautologie, der Dualismus ist Schein, weil das Sein, so­lange es denkt, bereits als Zeit in Anspruch ge­nom­men wurde.

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Notwendiges Boreout – Amy Winehouse und Herman Brood fanden ihr Leben ohne Dro­gen langweilig. Sie verlor ihr Leben – unter Drogen. Er nahm es sich – im Entzug. Wir kön­nen uns, wenn wir leben wol­len, nicht nicht langweilen.

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Heideggern – Ich bin immer schon auf meinen Tod zugelaufen. Denn solange ich denke, kann ich zwar nicht nicht existieren, aber solange ich existiere, kann ich auch nicht nicht ster­ben. Der Tod ist eine ständig gegenwärtige Möglichkeit und eine zukünftige Not­wen­dig­keit. Wider­stän­dig zu sein heißt: Notwendigkeit/en Möglichkeit/en werden zu lassen.

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Nicht suchen. Finden – Die einen suchen in ihrem Leben nach Sinn, die anderen halten das für absurd. Kommt es darauf an, wie wir Sinn definieren? Unter der Sinn-Hinsicht nicht: Für die einen ist es sinnvoll, nach Sinn zu suchen, für die anderen nicht. Sinn wird, ohne dass wir nach ihm suchen, immer schon gefunden, wir können ihn nicht nicht fin­den. Fazit: „Stop Making Sense“ macht keinen Sinn.

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Grenze der Negativität – Levinas sagt: „Man spricht üblicherweise vom Wort Sein (être), als wäre es ein Substantiv, obwohl es das Verb schlechthin ist.“ Als Verb schlechthin be­zeich­net Sein ein Tun, genauer eine Idee: das Tun, dem wir uns nicht ent­zie­hen können, dem Nicht-Nicht-Tun nämlich.

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Vergebliche Negation II – Wenn die erste Idee – gewissermaßen die Ur-Idee, besser die  Grund-Idee – die ist, dass ich nicht nicht han­deln kann, dann ist Laotses Forderung, zu han­deln, ohne zu han­deln, die einzig mög­liche Auf­forderung, nicht zu handeln.

Über Christian Kupke

Philosoph, Autor + Dozent
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